…traf eine Schöne am Wegesrand




Ich traf eine Schöne am Wegesrand

Sah und traf eine Schöne am Wegesrand
stolz und aschfahl so sie da stand
und so sehr es mich auch danach verlangt‘
stumm stand sie, hat mir ihren Namen nicht

genannt. Also fragte ich den putbluterroten Mohn,
der wiegte im Wind gar sanft sich ebendort
als des Gerstenfelds wilder Bastardensohn.
Doch als er wohlvernommen mein Ansinnen,

senkt er’s Köpfchen, macht zu er die Blütenkron-
blätter, rot tot schweben die von hinnen und wie
zum Hohn tun’s ihm die Pusteblümelein gleich
weiße Fallschirmchenvielfliegerschaft als weiterer

Beweis, Streich und Lohn der Mohnstille, da richtet
inmitten des Trubels sich zu mir auf eine kleine Kamille,
spricht leise, aber ungezwungen: „‘ne Distel ist’s, aber
schon frühsilberergraut, ich schenkte mein Herz ja

viel lieber dem weithin ‘gestümen und stemm‘gen Raps,
fragte ihn, ob er nicht näher treten wolle,
doch auch dessen Herz, das war eitel, und hing nicht
an einer Scholle: mit der ersten Erntemaschinenwelle

verließ er wie sprung- und schwunghaft diese Stelle
und diesen Ort.“ Doch ich habe mich noch einmal
Ihrer Schönheit zugewandt. Ihr Schweigen all so
zu bedauern, „Schließlich“, so sagte und sprach ich

zu ihr, „trage auch das Zwiegespräch und Einvernehmen
mit Menschen der Stille meist mehr von Weltgehalt
als das zynische Tagwerk laut geschäftigster Spötter.“
Und unverwandt abgewandt, die kleine Kamille im Haar,

habe ich mich sodann und bin weiter gezogen, mit dem
Drahtesel von dannen, in einem Aug‘ noch meine
stumm-scheue Dornenkönigin vom Wegesrand,
in ihrem schmalen Rasenparadies, ein Traumschloss,

flankiert von Fernfahrern, Ausflüglern und, was weiß,
den urtümlichsten heidnischsten Göttern vielleicht,
inmitten und noch immer unbezwungen ob all des
nie enden wollenden menschlichen Unverstands.

2012/06/04


 
 
 
 

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