Shoot The Messenger!

Shoot The Messenger! (Toter Vogel im Schnee an einem Frankfurter Oderbruchwintermorgen)


Heute:

Heute ist einer dieser
Tage, da mit dem Klingeln eines Telefons
die Welt komplett Kopf steht.

Normalität ist nur die Gewöhnung
vereinzelter Nervenzellen an bestimmte
Reiz-Reaktions-Schemata.

Und schemenhaft sehe ich mich wieder:
im Schnee. Hinter dem Seniorenzentrum
auch nahe einer Prager Straße, aber anderen
Stadt. Ich sehe den toten Vogel im Schnee,
während ich die gebrauchten Windeln
der Alten in die Abfallpresse schaff'. Und denke, der
hat's schon hinter sich. Während drinnen das
alltägliche Sterben weiter geht. Wir notieren
die Namen in ein Buch an der Rezeption.
Keine Anrufe mehr für:. Ich sehe mich als Sieben-
oder Achtjährigen: meine Oma setzt Tee auf:
in einem Eimer. Und parfümiert ihren Kopf
mit einem Schwall Echt Kölnisch Wasser.
Ich finde nichts Erfrischendes an diesem Duft
und lerne die Symptome eines Schlaganfalls.
Des ersten. Jahre später werde ich den
Hörer eines Telefons heben. Und eine Schwester
in einer Seniorenresidenz wird mir mitteilen,
dass es diesmal die Frau ist, die mich mit großzog,
die nun im Sterben liegt. Und ich gebe Alarm an
den Rest, der gerade auf einer Familienfeier feiert.
Ich gebe blind Alarm, wir erreichen meinen Onkel
nicht, es stellt sich als falscher, als Fehlalarm heraus.
Das Leben macht sich einen Scherz, und stellt
uns auf die Probe.
Wochen später nehme ich den Hörer eines Telefons
wieder ab. Und erkläre dann meiner Mutter, die
nach einem anstrengenden Tag erst nach sechs
nach Hause kommt, dass Oma eingeschlafen sei.
Mein Onkel, ihr Sohn, weilt wieder im Urlaub, ist nicht
zu erreichen down under.
Es ist nicht der erste leblose Körper, den ich sehe,
aber nun verstehe ich die Unterscheidung zu einem Leib,
den meine Kaste gelegentlich hierzu macht.
Ich plane die Bestattung, es ist meine erste, mit.

Und heute?

Heute ist einer dieser
Tage, da mit dem Klingeln eines Telefons
die Welt Kopf steht.

Und ich Mutter erkläre,
dass eine ihrer Nichten, den Krebs
wohl nicht mehr besiegen wird.

Heute ist einer dieser
Tage, da ich vor dem Spiegel stehe, und mein Magen
entscheidet, dass nach dem Zähneputzen
mein Mund schon wieder viel zu sauber ist.

Heute ist einer dieser
Tage, da ich
mit meinen kapitulierenden Gedärmen
gern tauschen will..



 
 
 
 

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