Aller Anfang, so nett.




Aller Anfang wiegt kakadufederflaumleicht
- eine Morgenschüsselmeditation –

Nimm ein wenig der Last, kleiner Atlas,
Von deinen Schultern.
Niemand trägt die Welt allein.
Selbst Weltenwolkenungestümste.
Nur alle tragen an ihr. Mitunter heftig.

»Ach, Blacky ist tot.«, sagt mein Vater.
Sei ihm aus verlässlicher Quelle
Berichtet worden. Diese habe ihn noch
Gesehen, als er aus dem Krankenhaus
Kam; er sagte, er sei jetzt dem Tod grad‘
Noch einmal von der Schippe gesprungen.
Drei Wochen später war der Schwarze tot.
»Da hat der Tod mit der Schippe
Noch einmal nachgelangt.«, sagt mein Vater.
Und nach der Beisetzung der Urne
Habe wiederum die Tochter gesagt
»Und jetzt gehen wir alle Einen trinken.
Das hätte dem Vater so gefallen.«
Ich bin ihm nur einmal begegnet, ein
Zotiger, derber Mann. Vermutlich
Spricht sie Wahrheit. Oder vom Zufall,
Wie der das Leben eben bestimmt.
Schreit doch da Einer, sein Haar
Ist rabenschwarz, »Hey, du, lass‘ den
Mann da in Ruhe, der ist verheiratet.«
Es ist der Sommer 1970, mein Vater neun Jahre
Älter als das blondgelockte Mädchen vor ihm,
Und es wird in Ermangelung von Geräten
Das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft
In der Gemeinschaft des Nachbardorfs gesehen,
Während meine Mutter doch sichtlich irritiert ist.
Glaubt ihm, dem Schwarzen, rechts hinter ihr, fast.
Und die von meiner Großmutter, väterlicherseits,
Schon erhoffte »schöne Bauerntochter«
Wieder in Nähe rückt. Doch das Eigenartige am
Zufall ist doch:
Er hebt sich auf.
Nicht von selbst.
Nicht von allein.
Es ist keine Eigenschaft des Zufalls, sich
Selbst aufzuheben.
Es ist menschliche Freiheit.
Es ist menschliche Unvernunft.
Es ist, warum Menschen
Kennenlern-Anekdoten erzählen.
Oder Völker, Nationalepen begründen.
Oder Religionen, Gründungsmythen.
So wie verliebte, rührselige Idioten
Bei ihrem ersten Aufeinandertreffen
Dann Bestimmung, Seelenverwandtschaft
Oder, bei Gott, gar das allmächtige
Schicksal wollen walten sehen.
Daran ist gar nichts Schlimmes.
Nur wenn Gott, das Zusammentreffen
Zweier rührseliger Idioten so vorher-
Gesehen oder auch -bestimmt hat,
Heißt das nicht auch, dass er
Die Winterfahrpläne der Deutschen Bahn
So voraussieht?
Was lässt sich also daraus schließen?
1. Gott hat einen Bahnwärtersachverstand.
2. Gott ist auch nur ein Mensch, das heißt,
Fehlbar, was aber im Widerspruch zu den
Drei Attributen eines Gottes steht, was
Wiederum heißt, Gott hat eine kleine, nur
Unbedeutende sadistische Ader.
Der Schelm. Oder, 3., Gott ist eine
Nicht-notwendige Annahme von Leuten
Mit Bahnwärterverstand, um nachträglich
Sinn oder einen Plan in etwas zu legen,
Wo schier keiner ist. Noch war.
Es ist einfach nicht auszuhalten. Für diese.
Sie brauchen einen. Notfalls den Plan B.
Nur die, die das Leben tief verstanden haben,
Wissen auch darum, dass manchmal eben
Darin nichts verstanden werden kann.
Und du trotzdem weiter machst.
Du verliebst dich, du verliebst dich nicht.
Du wirst geliebt, sie liebt dich nicht.
Du leckst Lippen oder du leckst deine Wunden.
Es ist ziemlich gleich. Es ist eben Zufall.
Aber es geht dich an. Es liegt an. An dir.
Wenn es keinen göttlichen Impuls,
Wenn es keinen Anfang gibt,
Dann ist es auch nicht wichtig,
Ob und wie es endet, das Leben.
Wichtig hingegen ist, dass
Jemand den Anfang macht.
Und da kommt jemand wieder ins Spiel: Du.
Du musst nicht leben,
Du kannst es.
Los! Was machst du? Auf was willst du setzen?
Immer nur du.
Der Schwarze ist friedlich eingeschlafen,
So sagt man, als eingestellt den Fernseher
Man ihm hatte.




Siebenundzwanzigstes
(Wirf, renn und werde)
Kein Liebesgedicht und nur eine Rohfassung

Wo rosengleichzart ein Mädchenhaupt heut‘ noch erglüht,
Das milde Wetter in deinen Zügen und auf den lieblichen Wangen,
Erloschen ist alsbald das Feuer von Altfrauenaugensternen

Und ist erst deine Schönheit verblüht,
Tobt herberes Wetter in den glanzlosen Zügen und fahleren Wangen
Musst auch schon drauf‘ bangen, das,

Wo gerade noch eben das Leben floriert,
Der Puls deines Herzens in Höfen und Kammern
Nun als neuer Hofstaat residiert und
Hochzeit halten Würmer, Wanzen und Asseln

So schelte nicht mich allein als König,
Als Prinz, Bettler, Gaukler und Narren,
Hierzulande und zu jeder Zeit
Es immerfort zu vermasseln.



Heißend, ver-
Gleißend ist es
Das Glück.

Und -glommen, be-
Nommen lässt es
Uns zurück.



Ich bin nie hier gewesen. Nie war ich an diesem Ort.
Habe nicht mit Herzblut den Fassaden
In der Prager deinen Namen genannt,
Noch warf ich aus seinem Knochengefängnis befreit
Jenen lust- wie nutzlos gewordnen Hohlmuskelbatzen
Dem Erstbesten, der da schrie »Hey da, halt!
Personendatenkontrolle« vor die Staats dienenden Tatzen.
»Herr Nachtwachtmeister, Herr Wachtnachtsmeister,
Aber sagen Sie doch, wer macht denn so was?«
Ich habe dir siebenundzwanzig Sonette geschrieben.
Ich habe sie alle verbrannt.
Ich bin nie dagewesen. Habe nicht geworfen,
und bin anschließend Richtung Völki gerannt.
Ich habe dir siebenundzwanzig Sonette geschrieben.

Ich habe dich nie gekannt.






Ohne Titel

Im Ideal ist es wie im Ring:
du kämpfst gegen dich selber,
ein gleichwertiges Gegenüber,
kein überlegener, kein unterlegener Kontrahent
du taumelst getroffen, wagst nicht zu hoffen
und plötzlich, nein, es ist nicht die Zeit,
die hält nie an; nur du gehst zu Boden,
bist ganz unten: das Leben,
es schickt dich auf die Bretter.
Du klaubst dir den Mundschutz raus,
spuckst ein wenig des Speichels und Blut
du bleckst die weißen Zähne,
du beißt sie zusammen, du stehst wieder auf,
hebst die Arme nach oben,
sagst: es geht schon wieder! Es geht
schon wieder! Du stehst auf,
wringst dein Herz aus, sagst: Keine Angst,
es geht mir wieder! Es geht schon! Es geht
schon wieder noch besser!
Und noch wie benommen trittst du dann
wieder an, sagt ein alter Boxer
über die Liebe.

 
 
 
 

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