Freitag im Mai, ein Shakespeare-Zitat


Freitag im Mai, ein Shakespeare-Zitat

„So wollen wir leben, [...]“

und all das Sprechen von Zukunft
und uneingeschränkter Persönlich-
keitsentfaltung ist von gestern
Nacht. Ein Absacker im «Absturz»:
„Vodka. Vanille, bitte“, dann
die «Karli» im Flug auf dem Rad
schnurstracks ist aus dem Nachtschwärmer
die alltägliche Metamorphose
in Umkehrung, seinem Larvenpuppenstadium,
wieder ein früher Aufsteher erwacht.
Der in der «tageszeitung» liest von
den Aufständischen in Libyen
der liest von keinen Berufssoldaten, nein,
der liest von Schülern, Handwerkern, Studenten
der liest von Majoren in Badelatschen
und entlassenen Kleinkriminellen, Verfolgten
und Verzweifelten
, von zwölf Jahren ohne Licht,
der liest Geschichten aus der Hölle Gaddafis,
Menschen befreit aus Grüften und der liest
von Gibli, einem glühend heißem Wüstensandwind,
Staub, gegen den man Wasser trinkt;
der liest von einer Philosophiedozentin,
nun in der Rebellenhauptstadt Bengasi,
die aber lange in London gelebt habe
, die sagt:
„Wir wollen, was ihr habt“: Demokratie, Bildung,
Rede- und Reisefreiheit
und die sagt, Al-Qaida
sei ein Produkt der Hoffnungslosigkeit gewesen.

Der liest von den Flüchtlingen in Tataouine,
der letzten Kleinstadt im Süden Tunesiens
vor der libyschen Grenze
, der liest, dass jetzt
das libysche Volk, anarchisch und voller Glauben
an die selbst erkämpfte Freiheit herrsche
,
der liest von Menschen mit Hunger auf Solidarität,
auf Vertrauen und Demokratie. Gleichheit. Respekt.

Und der liest von deren Tatendrang.
Und der sieht aus dem Fenster
und unten da sitzt
schon wieder einer in der Sonne,
bei seinem ersten Bier auf der Bank;
sieht dem Hausmeister zu,
wie der Unkraut
aus den Ritzen
kratzt.

So wollen wir leben.

 




Anm. Zweifellos zitiert, wenn auch montiert, aber darum auch darauf zu verweisen ist hier auf Christian Kreuzers sehr lesenswerte Reportage Al-Qaida interessiert hier keinen über die Aufständischen und Umstände in Libyen, in: taz, die tageszeitung, Nr. 9494 (13.05.2011); (URL [abgerufen am: 13.05.2011]: http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sw&dig=2011%2F05%2F13%2Fa0170&cHash=01434f82b5); sowie der Bericht Edith Krestas über Die Solidarität der Nachbarn und über die libyschen Flüchtlinge im tunesischen Tataouine, ebd. (URL: http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artik...). Das Shakespeare-Zitat lässt sich im Lear finden.

 
 
 
 

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